Social Media: Der Verkaufskanal, der keiner ist

Es gibt zwei Social Media-Mythen, die sich seit vielen Jahren halten – und die komplett entgegengesetzt sind. Der eine sagt, Social Media ist kein Werbekanal, über den man verkaufen kann. Hier zählen die sozialen Netzwerke als Instrument zur Markenführung und zur Kundenkommunikation. Der andere Mythos behauptet, dass Social Media-Kampagnen nur erfolgreich sind, wenn sie verkaufen. Kommunikation in den sozialen Netzwerken hat einzig das Ziel, Leads und Sales zu generieren, die Beiträge sehen wie eine Aneinanderreihung von Werbeanzeigen aus.

Wie so oft liegt die Wahrheit auch hier in der Mitte: Unternehmen müssen Social Media selbstverständlich wirtschaftlich betrachten, und da ist der Blick auf den generierten Umsatz absolut richtig. Gleichzeitig ist es eben nicht ganz so einfach, den Blick nur auf Kosten und direkte Umsätze zu richten. Denn, ja, Social Media stärkt auch die Marke, kann als Kanal zum Kundensupport dienen und sogar für Employer Branding und Recruiting genutzt werden. Bei all dem können die sozialen Netzwerke, richtig eingesetzt, aber auch ganz direkt für Verkäufe genutzt werden.

Social Media im Kontext des Verkaufsprozesses

Um den Zweck von Social Media zu verstehen, hilft es, den Vergleich mit Google Ads-Kampagnen und SEO zu ziehen. Gibt ein Nutzer in der Suchmaschine einen Begriff wie “herrenjacke kaufen” ein, dann ist die Absicht eindeutig: Diese Person sucht nach einem ganz bestimmten Produkt mit klarer Kaufabsicht. Jemand, der nur “herrenjacke” eingibt, schaut sich vielleicht erst noch um – diese Person kann zum Käufer werden, vielleicht aber auch nicht. Zumindest drehen sich die Gedanken aber bereits um das Produkt – es ist grundsätzlich ein Bedarf da.

Wie sieht das nun in den sozialen Netzen aus? Der Kunde gibt in der Regel gar nichts ein, sondern reagiert auf das, was ihm die Plattformen wie TikTok, Facebook, Instagram & Co. anzeigen. Selbst wenn der Nutzer einen Bedarf hat, ist die Person mit den Gedanken in der Regel nicht beim Einkaufen.

Kommuniziert ein Unternehmen nur mit verkäuferischen Beiträgen, ist es eher Zufallstreffer, wenn tatsächlich mal ein Verkauf zustande kommt. Für die meisten Nutzer werden die Inhalte vermutlich sogar eher als störend wahrgenommen.

Die große Frage lautet: Wie kann man trotzdem mit Social Media-Kampagnen verkaufen?

Erst geben, dann nehmen: Erfolgreich werben mit Social Media

Wie bereits erwähnt, kann man auch mit Beiträgen in sozialen Netzwerken den gelegentlichen Umsatz-Treffer landen. Bleiben dies aber reine Zufallstreffer, ist der Aufwand in der Regel zu hoch, um Social Media-Kampagnen wirtschaftlich sinnvoll zu betreiben.

Es gibt aber einige Stellschrauben. mit denen man die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöhen kann, dass Nutzer zu Kunden werden. Hierbei geht es um Vertrauensaufbau und emotionale Bindung, aber auch darum, Bedarf überhaupt erst zu wecken.

Storytelling: Mit dem Kunden emotional verbinden

Jeder gute Social Media-Experte weiß: Social Media braucht Storytelling. Die Nutzer suchen nach Unterhaltung und nach Verbindung, und gut erzählte Geschichten können beides liefern. Gleichzeitig sind diese Geschichten das perfekte Vehikel für Markenbotschaften. Dies hat auch mit neuropsychologischen Faktoren zu tun: Das menschliche Gehirn besitzt unterschiedliche Arten von Gedächtnisprozessen. Erinnerungen, die mit Geschichten verbunden sind, prägen sich besonders stark ein und sind besonders intensiv mit Emotionen verknüpft.

Dabei müssen diese Emotionen nicht immer nur positiv sein: Passen Werte und Ansichten von Marke und Nutzer zusammen, kann dies eine extrem starke Wirkung haben. Im Idealfall schafft man natürlich beides: Echte Verbindung und positive Gefühle. Der Nutzer bekommt das Gefühl: “Hier werde ich gesehen, hier versteht man mich.”

Dies schafft ein Vertrauen, das auch dann noch greift, wenn man verkäuferische Beiträge bringt. Selbst wenn der Nutzer gerade nicht in Kauflaune ist, werden diese dann auch eher “vergeben”, hinterlassen also zumindest keinen negativen Beigeschmack.

Wichtig ist allerdings, dass man hier authentisch kommuniziert. Wer bestimmte Werte predigt, aber anders handelt, kann sich ganz schnell in einem Shitstorm wiederfinden. Das ist nicht nur unangenehm, sondern kann auch wirtschaftlich negative Folgen haben.

Bedarfsweckung mit Social Media-Beiträgen

Weiter oben haben wir über den Vergleich von Social Media und Google Ads gesprochen. Und hier kommt eine Stärke der sozialen Netze ins Spiel: Sie können Bedarf wecken. In den Suchmaschinen greift man Nutzer ab, die bereits eine Intention haben. In Social Media-Kampagnen kann man Menschen überhaupt erst auf Probleme und Potenziale aufmerksam machen.

Das bedeutet natürlich nicht, dass der Kunde deshalb sofort kauft. Im schlechtesten Fall weckt man beim Nutzer ein Bedürfnis, der Kauf findet aber bei der Konkurrenz statt. Deshalb ist es wichtig, neben Social Media auch andere Werbekanäle zu bedienen, um den nun interessierten Nutzer dort abzugreifen. Außerdem stärkt eine gute Social Media-Kampagne auch die Marke. Begeisterte Follower werden eher bei der Marke kaufen, die sie mögen und mit der sie sich verbunden fühlen.

Content-Planung: Die Mischung macht’s

Ein erfolgreich geführter Social Media-Kanal benötigt also verschiedene Arten von Beiträgen. Markenförderung, Nutzerbindung, Bedarfsweckung und Verkauf sind hier nur vier ganz grundlegende Kategorien, die man auf jeden Fall abdecken sollte. Eine weitere Aufschlüsselung und Ergänzung ist in vielen Fällen sinnvoll.

Wichtig ist aber auch die richtige Mischung der Beiträge. Handelt es sich bei 90% aller Posts um Verkaufsversuche, werden auch die übrigen Inhalte keine starke Markenbindung erzeugen können. Eine strategisch durchdachte Content-Planung, die auf Basis von Tests und Analysen immer wieder angepasst wird, ist hier erfolgsentscheidend. Jede Kategorie von Beiträgen sollte einen gewissen Prozentsatz in der Content-Planung einnehmen.

Attribution: Das Zusammenspiel verschiedener Werbekanäle

Da Social Media im Kaufprozess oft am Anfang steht, ist es wichtig, interessierte Nutzer auch auf anderen Werbekanälen abzugreifen: SEA-Kampagnen, SEO, Newsletter & Co. haben ein wesentlich größeres Potenzial, tatsächlich zum Kauf zu führen.

Eine starke und strategisch richtig eingesetzte Präsenz in den sozialen Netzwerken kann die anderen Werbekanäle befeuern und dort für Zusatzumsätze sorgen. Dieser Faktor wird in der Marketing-Analyse häufig vergessen, und Umsätze werden nur dem Kanal zugeordnet, über den der Kunde am Ende gekauft hat. Für die wirtschaftliche Betrachtung der Social Media-Kampagnen ist es deshalb wichtig, den Einfluss der verschiedenen Werbekanäle auf eine Conversion – also einen Kauf oder einen Lead – zu bewerten. Dies nennt man auch Attribution. Damit diese Auswertungen korrekt sind, ist ein gut durchdachtes und im Social Media-Alltag praktikables Tracking und Reporting unverzichtbar.

Social Media kann verkaufen – wenn man es richtig macht

Social Media-Kampagnen können wirtschaftlich effizient betrieben werden. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Branchen, Märkten und Plattformen. Mit einer guten Strategie, die konsequent umgesetzt wird, ist aber vieles möglich. In der Bewertung sollte man dabei selbstverständlich den Zusatznutzen des Kanals nicht vergessen – alleine in der Kundenbetreuung sind Social Media-Plattformen für viele Unternehmen heute unverzichtbar.

Im Detail kommt es im Social Media Marketing auf viele weitere Faktoren an – ein Verständnis für die Algorithmen der Plattformen, unterschiedliche Posting-Formate, gutes Design, Einhaltung der Markenkonzepte, und vieles mehr. Deshalb sollte unbedingt ein Social Media-Experte die Betreuung des Kanals übernehmen – oder die zuständige Person sollte entsprechendes Marketing-Coaching erhalten.